Familytime

So lange war der Besuch meiner Familie noch in weiter Ferne und dann plötzlich war er einfach da. Aber von Anfang an...

Am Samstagmorgen, den 24.03, machte sich meine Familie auf den Weg zum Flughafen in Stuttgart, um nach Zwischenstopp und viel zu langem Flug endlich in Bangalore zu landen. Nach einer kurzen Nacht im Hotel ging es dann auch direkt weiter nach Salem. In der Zwischenzeit waren wir hier in Salem fleißig am aufräumen (was bei unserer Ordnung natürlich eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre 😂). 

Bis unsere Familien dann endlich ankamen, haben wir versucht Skat zu lernen, was aber ziemlich aussichtslos war. Ich war nämlich ein bisschen, okay… vielleicht auch ein ziemlich großes bisschen aufgeregt und definitiv zu hibbelig, um mich auf sowas kompliziertes wie Skat zu konzentrieren. Und dann war es soweit: Der weiße Bus mit unseren Familien war endlich da. Nach großem Hallo, dem Beziehen der Zimmer und Austauschen erster Informationen und Updates haben wir uns auf den Weg zu einer ersten Campus-Tour mit anschließendem Spaziergang gemacht. Da wurden unsere Familien dann gleich einmal richtig in unsere indische Welt mithineingenommen: Unsere Hostelsmädels und auch die Kids im Heim waren (wie eigentlich alle, denen wir begegnet sind) voll aufgeregt beim Anblick so vieler Weißer und wir mussten, äh… durften unsere Familien gefühlte 100 Mal vorstellen - so ging es unter lautem „Hello“, „Good morning“ und von unserer Seite „This is my amma, this is my appa, …“ hoch auf ´s Hosteldach, von wo aus wir den tollen Ausblick genossen haben. 

Dann ging es weiter zum Spaziergang: Auch hier, inmitten von traumhaft schöner Landschaft, haben wir ordentlich für Aufregung gesorgt. Die Hunde, die uns auf dem Weg begegnet sind, waren allerdings eher weniger erfreut über unseren Anblick, aber unsere Brüder haben es sofort als ihr Aufgabe erachtet, uns todesmutig und verantwortungsbewusst zu verteidigen - oder so ähnlich. Und auch sonst war es noch ein richtig schön indisch erlebnisreicher Abend: Unsere Brüder haben auf dem Weg noch eine frische Kokosnuss gefunden, die anschließend mit großem Appetit verspeist wurde, Begegnungen mit Ziegen, Kühen und aufgeregten Kindern standen auf dem Programm, wir haben verschiedenste Baumbesonderheiten identifiziert und einfach die wundervolle Natur hier genossen. Beim Abendessen gab es dann einen ersten Eindruck von der indischen Würze (natürlich „exra mild“) und auch mit den Händen zu essen, wurde direkt mal probiert. Das volle Programm also, wenn das mal kein Empfang ist… :) Und für uns gab es noch ein zusätzliches Highlight, denn unsere Familien haben großzügig wie sie sind geschätzt 2/3 ihres Gepäcks geopfert, um uns verschiedenste Köstlichkeiten aus dem fernen Deutschland zu bringen. Innerhalb von Minuten hatten wir den Überblick über die Berge aus Schokolade, Gummibärchen, Obstriegel, Käse, Spätzle, Brot, Brezeln… verloren. Was ich dabei aber nicht untergehen ließ, waren sechs Berliner, die meine Familie doch tatsächlich den ganzen Weg hierher gebracht hatte. Da gab es die Tage dann noch ein Festessen - Danke!

Die folgenden beiden Tage haben wir genutzt, um etwas mehr Einblick in unser Leben und unsere Arbeit hier zu geben. So gab es nach einer unserer Morgenandachten (natürlich nur für die Frauen unserer Familien) zunächst einen „professionellen“ Rundgang über das Gelände (und ganz ehrlich, so genau, wie unseren Familien, wurde uns das alles nie vorgestellt…) inklusive Besuch in der Nähwerkstatt, Besichtigung einer Dorfkirche, in der gerade Kinderbetreuung stattfand und zur Führung durch´s IGL Office wurden unsere Familien (außer uns natürlich) mit riesigen Blumenketten begrüßt. Anschließend ging es dann zum YMCA und nach einem kurzen Rundgang, bei dem wir die Gelegenheit hatten, unsere Familien mit „unserem Arbeitsplatz“ vertraut zu machen, gab es noch einen kleinen Imbiss im Office des Generalsekretärs. Indisch pünktlich um 17 Uhr waren dann alle (sprich zusätzliche acht Deutsche) in unserer Deutschstunde dabei, was bei unseren drei Deutschschülern für reichlich Aufregung gesorgt hat. Das wäre aber gar nicht nötig gewesen, denn deren Deutsch ist schon richtig gut und wir hatten eine richtig gute und witzige Zeit zusammen. 

 

 

Am nächsten Tag ging es nach dem Frühstück zunächst zum Juvenile Home, dem Jugendgefängnis, in dem wir normalerweise donnerstags arbeiten - aber es herrschte ja nunmal Ausnahmezustand, da kann man das dann schon auch mal dienstags machen. Allerdings haben wir gar nicht wirklich Programm gemacht, sondern uns eher mit den Jungs unterhalten, unsere Familien vorgestellt und zum krönenden Abschluss durften wir dann auch noch etwas vorsingen - so erklang an diesem Dienstagmorgen ein 3-stimmiges (?) „Vom Aufgang der Sonne“. Ich glaube, dieser Besuch hat auf beiden Seiten sehr positive Erinnerungen geschaffen und es war auch schön, von den Jungs zu hören, was ihnen unser Programm jede Woche bedeutet.

Anschließend ging es wieder zum YMCA und nach kurzer Pause weiter zu einem Nähprojekt des YMCA. Dort haben Frauen auf dem Dorf die Möglichkeit, nähen zu lernen und so unabhängiger zu werden. Während wir unseren Familien auf der Fahrt fleißig alles Mögliche erklärt haben, ging es also erstmal eine ganze Weile über kleine Straßen in kleinen Dörfern bis wir schließlich mit unserem wunderschönen weißen Bus vor der „Nähwerkstatt“ ankamen und natürlich direkt die ganze Aufmerksamkeit hatten. Endlich angekommen hatten wir bzw. unsere Familien nach indischer Gelassenheit ganz viel Zeit sich mit den Frauen zu unterhalten, die gespannt um unsere mindestens ebenso gespannten Familien herumsaßen. Es war wirklich schön, dass es so die Möglichkeit gab, mit den Frauen ins Gespräch zu kommen und unsere Familien so einen Eindruck von dem Projekt, aber auch vom Leben der Menschen hier bekommen konnten. Nach einem Becher Tee ging es dann wieder zurück zum YMCA, wo es erstmal Mittagessen gab: Abraham hat uns zu Parota und anschließend Reis (für die, die noch Hunger hatten, denn der Shop hatte nicht genug Parota für uns alle) im YMCA eingeladen. Und so saßen wir also alle auf der Bühne in de großen Halle auf dem Boden und haben fleißig mit den Händen unser Parota gerissen und gegessen - eine sehr schöne Situation und tolle Erinnerung. 

Nach diesem ausgiebigen und indisch späten Mittagessen ging es dann endlich in die Stadt. Da die Zeit nun doch schon etwas fortgeschritten war, haben wir das ursprünglich geplante Kleidershopping nach Madurai verlegt und sind stattdessen einfach zu Fuß los, um unsere Familien mit dem Chaos Salems zu schocken :P Naja, eigentlich war das nicht der Plan, aber ich glaube der chaotische Verkehr, die vielen Menschen, die Obst-, Gemüse-, Schmuck-, …Stände überall haben doch für ganz neue Erfahrungen gesorgt. Wir haben es aber geschafft alle heil durch die Stadt zu manövrieren und nach einem Gang entlang der doch etwas anstrengenden Einkaufsstraße waren wir dann im doch Speer zum Geld ausgeben einladenden 10-Rupi-Shop - dort herrschte dann quasi Invasion der Weißen. Trotz vorheriger Erzählungen waren alle ziemlich beeindruckt und es wurde kräftig eingekauft - ich vermute mal, der Ladenbesitzer hat an dem Tag das Geschäft des Jahres gemacht;-)

Nach erfolgreichem Einkaufen und kurzen Zwischenstop am Tempel, waren wir dann aber alle auch ziemlich fertig und sind zurück zum YMCA. Unterwegs gab es noch Zuckerrohrsaft, den meine Familie etwas skeptisch probiert hat - und letztendlich weiß ich nun, dass mir daheim niemand Zuckerrohrsaft wegtrinken würde, wenn es den denn gäbe… 

Wieder im YMCA machen sich unsere Eltern auf den Rückweg nach Sharon, uns wurde eröffnet, dass wir bevor wir gehen noch einen Bericht über unsere Arbeit schreiben dürfen. Es dauert zwar etwas, aber schließlich ist auch das geschafft und wir kommen fast pünktlich zum „Cook Out“, einem extra für unsere Familien organisierten Festessen im Garten. Es war wie immer einfach zu gut und ich glaube, ich hätte danach auch einfach ins Zimmer rollen können :P

Es war auf jeden Fall ein richtig schöner Tag und ein noch schönerer Abend und nachdem wir am Abend dann noch gepackt hatten, ging es am nächsten Morgen dann viel zu früh zum Bahnhof in Salem, von wo aus wir uns ganz indisch per Zug auf in Richtung Madurai machten. Dazu mehr im nächsten Eintrag…

Auf jeden Fall war die Zeit, die meine Familie hier in Salem war obwohl sie sehr kurz war, doch sehr wertvoll für mich. Man merkt plötzlich, wie man sich an das Leben hier gewöhnt und in manchen Punkten dann vielleicht doch auch etwas verändert hat. Ab und zu war es auch mal etwas anstrengend, aber es war auch einfach toll, die beiden Welten, die Teil von einem sind, einander vorstellen zu können. Danke, dass ihr hier wart und für mich sogar nach Indien gekommen seid:)

 

Ganz liebe Grüße aus Salem:)

God bless you,

 

Johanna

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Andrea Widmann-Rau (Sonntag, 24 Juni 2018)

    Liebe Johanna,
    danke, dass du uns an deinem Familienbesuch hast teilnehmen lassen. Ich freue mich so für dich, wenn ich auf jedem deiner Bilder dein Strahlen im Gesicht sehe. Ich wünsche dir noch gesegnete Tage und hoffentlich einen nicht allzu schweren Abschied von deiner liebgewonnenen Umgebung, die dir und der du so viel Unbeschreibliches geschenkt hast. Du wirst daheim in Ostelsheim auch sehnsüchtig und in großer Freude erwartet. Heute nach dem Mittendrin-Godi sagte mir deine Mama, dass du beim nächsten Mal von deiner Arbeit und deinen Erfahrungen erzählst. Darauf freue ich mich schon. Sei umarmt und komme wieder wohlbehütet heim.
    Alles Liebe
    Andrea