Endlich wieder Meer:)

Als ich vor langer langer Zeit noch in der Schule Gedichtinterpretationen schreiben musste, haben wir gelernt, dass das Motiv des Meeres in der Naturlyrik unter anderem Freiheit symbolisiert. Wer hätte gedacht, dass ich das hier in Indien nun eindrücklicher denn je erleben würde, aber ich fang besser am Anfang an...

 

Nachdem wir samstagabends noch schnell gepackt haben, sind wir dann am Sonntag, 12.11., um 5:30 Uhr von Sharon Gardens aufgebrochen Richtung Tranquebar/ Tharangambadi. Dort sollte unser Zwischenseminar stattfinden, aber eigentlich hatten wir keine Ahnung was uns auf unserer ersten Reise in Indien tatsächlich erwartete. 

Zunächst ging es mit unserem Fahrer los zum "New Bus Stand". Auf dem Weg dorthin haben wir noch unseren Begleiter aufgesammelt, den Abraham für uns organisiert hat. Ja, wir hatten einen Begleiter und am Anfang waren wir davon auch echt nicht sonderlich begeistert. Soviel traut Abraham uns also zu... Aber im Nachhinein muss ich zugeben, dass es vielleicht doch gar nicht so blöd war, denn Busfahren ist hier so ganz anders als daheim. Also wirklich so ganz ganz anders. Allein hätten wir wahrscheinlich nicht einmal den richtigen Bus hier in Salem gefunden, geschweige denn das Umsteigen gemeistert. Denn während es in Deutschland ja (so richtig typisch deutsch) ordentliche Schilder gibt, welcher Bus wohin fährt, ist das Ganze hier etwas indischer. Es ist also eher ein großer Platz, auf die Busse stehen und warten oder einfach durchfahren und dabei natürlich ganz viel hupen. Wir befinden uns somit mitten in einem lauten, bunten Treiben aus Bussen und Menschen, die warten, schlafen oder versuchen, verschiedenste Dinge (vor allem Essen) an die Fahrgäste zu verkaufen. Selbst unser Begleiter findet den richtigen Bus nicht auf Anhieb, insofern, nun ja... Auf jeden Fall muss man ganz viel fragen, um nachher auch im richtigen Bus zu landen. Aber letztendlich schaffen wir auch das und los geht´s. Tranquebar, wir kommen... 

Mit den großen Rucksäcken ist es im Bus mäßig bequem, aber für die 5 Stunden Fahrt geht es schon irgendwie;) Übrigens muss ich meine Aussage, die ich in meinem ersten (?) Eintrag über die indischen "Straßenbusse" getroffen hab, korrigieren: Die Busse fahren nicht mit offener Tür. Das geht gar nicht, sie haben nämlich einfach keine Türen. Für was auch...? Ist doch viel praktischer ohne, so kann man auch ein- und aussteigen, wenn der Bus noch oder schon fährt. 

Na auf jeden Fall kommen wir dann irgendwann nach vielen Stunden Fahrt an dem kleinen Busbahnhof in Chidambaram an (fragt nicht, wie lange ich gebraucht hab, um mir den Namen merken zu können). Dort essen wir zunächst einmal zu Mittag bevor wir uns auf die Suche nach dem richtigen Bus nach Tranquebar begeben. Obwohl der Bahnhof so klein ist, sehen wir hier zum ersten mal Kinder, die betteln. Das war wirklich schlimm, die Kinder taten mir so leid. Und ich bin sehr dankbar, dass in Salem so viele soziale Organisationen tätig sind, die sich um die Kindern kümmern und darum, dass diese an Bildung kommen. Bitte betet mit mir für die Kinder, denen dieses Privileg noch nicht zu Teil wird.

Nach einer weiteren Stunde Busfahrt, für die wir je ca. 40 Cent zahlen mussten, waren wir dann am Ziel: Tranquebar - ein chaotisches Kuhkaff an der indischen Ostküste. Sobald man aber das "Stadt"-Tor passiert erinnert das Stadtbild wie ihr auf dem Foto seht sehr an eine Stadt irgendwo in Europa. Das kommt daher, dass Tranquebar (unter den Indern als Tarangambadi gekannt) ursprünglich eine Kolonie war und so auch angelegt ist. Hier kam der erste deutsche Missionar an, erzählte den Menschen vom Christentum und übersetzte die Bibel. Daher ist Tranquebar trotz seiner geringen Größe unter den indischen Christen ziemlich bekannt. Wir standen immer einer Mischung aus Unverständnis, Verwirrung und Entsetzen gegenüber, wenn in Gesprächen klar wurde, dass wir noch nie etwas von Ziegenbalg, dem besagten Missionar, gehört hatten. Denn hier erfreut sich dieser ziemlich großer Bekanntheit und nach der Woche in Tranquebar wissen wir jetzt glücklicherweise auch, wer das war.

Angekommen im "Ziegenbalg Spiritual Centre" - unserer kleinen, aber feinen Unterkunft für diese Woche (mit gigantisch gutem Essen) - treffen wir auch schon auf die ersten anderen Freiwilligen. Und damit auch die ersten Deutschen, die wir seit Mariannes Besuch treffen. Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben (mit einigen Besonderheiten -> schaut euch die Bilder unten an), wollten wir dann aber auch noch was von der "Stadt" sehen und sind erstmal rüber zur gegenüber gelegenen Ziegenbalg Kirche. Bevor wir aber drin sind treffen wir auf weitere Freiwillige und besichtigen zusammen mit ihnen das Danish Fort (siehe rechts) - als Ausländer zahlt man hier ca. 10x soviel wie als Inder, aber es war ganz schön. Ganz besonders toll war es dann, endlich am Meer so sein. Einfach wunderschön! So haben wir dann noch etwas vom Ort gesehen und sogar Eis gegessen bevor am nächsten Tag das Seminar startet.

Während der Woche in Tranquebar haben wir viel über unsere bisherigen Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolge nachgedacht und es hat wirklich gut getan, mit Menschen zu reden, die Ähnliches erlebt haben und sich in einer ähnlichen Situation befinden. Ich fand es auch sehr hilfreich, dass wir unsere bisherigen Erfahrungen mit unseren ursprünglichen Erwartungen und unserer Motivation verglichen haben. Außerdem haben wir unser individuelles soziales Umfeld, in dem wir uns hier bewegen, nachgebildet. Im zweiten Teil der Woche investierten wir viel Zeit in die Planung unserer restlichen Zeit in Indien und haben uns letztendlich auch schon mit der Rückreise nach Deutschland beschäftigt. Aber daran will ich noch gar nicht denken, jetzt bin ich erstmal noch eine Weile hier. Das ganze war eingerahmt von guten Gesprächen, Ausflügen ans Meer und ins Ziegenbalg-Haus und einfach gemütlicher, gemeinsamer Zeit. An den Abenden haben wir gemeinsam gesungen, Spiele gespielt oder saßen einfach zusammen am Strand. Es war - auch wenn das jetzt wahrscheinlich wirklich blöd klingt - auch echt schön, mal wieder für einige Zeit in einer Gruppe Deutscher zu sein und ganz selbstständig in den Ort, Eis essen oder ans Meer gehen zu können. Das ist etwas, was ich hier wirklich zu schätzen gelernt habe: Freiheit;) 

Zum Abschluss des Seminars gab es dann am letzten Abend noch eine Überraschung: wir sind alle zusammen in ein Hotel am Strand gegangen, um dort zu Abend zu essen. Und es gab dort sogar einen Pool, einfach unglaublich. Es war richtig schön, das Essen war voll lecker und es war auch cool, mal wieder zu baden, aber es war auch echt komisch und ich hab mich nicht mehr gefühlt als wäre ich in Indien. Eine Erfahrung war es auf jeden Fall und uns wurden die Gegensätze Indiens eindrücklich vor Augen geführt... Trotzdem war es ein toller Ausklang dieser wunderschönen Woche.

Am nächsten Tag haben sich dann alle auf den Rückweg in ihre Einsatzstellen gemacht und auch wir sind (glücklicherweise) dieses Mal ganz allein los. Und siehe da: Wir mussten zwar viel fragen, aber unsere erste Busreise allein hat hervorragend geklappt und am Abend sind wir todmüde, aber heil an unserem Ziel angekommen: Sharon Gardens. Und es war wirklich ein bisschen wie heimkommen :D

 

"Nähme ich Flügel der Morgenröte

und bliebe am äußersten Meer, 

so würde mich doch deine Hand daselbst führen

und deine Rechte mich halten."

Psalm 139, 9+10

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